Sektorübergreifendes Lernen bei der Umsetzung der EU-Verordnung gegen  Entwaldung

Sektorübergreifendes Lernen bei der Umsetzung der EU-Verordnung gegen Entwaldung

Über 70 Teilnehmende aus Industrie, Politik und Zivilgesellschaft diskutierten am 9. Oktober in Köln über eine entwaldungsfreie Kakao- und Palmölproduktion.

Im Fokus stand die EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR): ein wichtiger Vorstoß der Europäischen Union im Kampf gegen Entwaldung und ein echter Meilenstein in Sachen Waldschutz weltweit. Damit will die EU einen wichtigen Beitrag auch gegen die Klimakrise und das Artensterben leisten. Das Forum Nachhaltiger Kakao und Forum Nachhaltiges Palmöl organisierten zum erstem Mal gemeinsam eine Veranstaltung im Rahmen der Messe Anuga. Akteure aus Kakao- und Palmöllieferketten teilten ihre Erfahrungen, diskutierten Lösungsansätze und ermöglichten sektorübergreifendes Lernen.

Das Forum Nachhaltiger Kakao und Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP) verfügen aus ihrer Arbeit für nachhaltige Lieferketten über langjährige Erfahrung und viel Know-how, das sie bei der aktuellen Umsetzung der Verordnung bis zum Anwendungsstart am 30. Dezember 2024 in Deutschland und auf EU-Ebene einbringen wollen.

Olaf Schäfer, Unterabteilungsleiter für Klimaschutz, Biodiversität, Nachhaltigkeit und Bioökonomie beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), hieß die Teilnehmenden willkommen und zeigte die Bedeutung der EUDR für die Agrarlieferketten auf. Er betonte dabei, wie wichtig der Austausch zur Bewältigung der Herausforderungen ist und gratulierte dem Forum Nachhaltiger Kakao und FONAP zur gemeinsamen Veranstaltung.

Dr. Thomas Baldauf aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft stellte die Verordnung und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen für Marktteilnehmer und Händler vor. Jährlich wird von den 4 Milliarden Hektar Wald weltweit einmal die gesamte Waldfläche Deutschlands zerstört. Daher zielt die Verordnung darauf ab, durch die Durchsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette sicherzustellen, dass keine Entwaldung stattfindet. Er betonte, dass zum ersten Mal in einer EU-Verordnung ein eigener Artikel zur gemeinsamen, strategischen Zusammenarbeit mit Drittländern aufgenommen wurde.

Herausforderungen für Kleinbäuerinnen und -bauern

Besonders auf Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im Globalen Süden muss bei der Umsetzung geachtet werden. Darin waren sich die Vortragenden einig. Evelyn Bahn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Forum Nachhaltiger Kakao e.V. betonte: „Eine effektive Umsetzung der Verordnung ist nur mit lückenloser Rückverfolgbarkeit und Transparenz entlang der gesamten Lieferkette möglich. Es muss sichergestellt werden, dass Produkte aus entwaldungsfreien Quellen stammen. Gleichzeitig ist sicher zu stellen, dass Kakaobäuerinnen und -bauern und Palmölproduzierenden vor Ort nicht noch mehr Belastungen aufgebürdet werden. Sie sollen von dieser Verordnung profitieren. Risiken bestehen insbesondere für kleine Produzierende, für Produzenten mit fehlenden Landrechten oder Kooperativen, die noch am Anfang stehen.“

FONAP-Vorsitzende Almut Feller unterstrich ebenfalls diese Herausforderung: „Das Risiko, dass Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in großer Zahl aus der Lieferkette ausscheiden, weil sie die neuen EU-Anforderungen nicht oder nicht rechtzeitig erfüllen können, besteht. Die EU hat als Gesetzgeberin große Mitverantwortung, insbesondere Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu unterstützen, damit sie auch unter den strengen Regeln der EUDR Teil der Lieferkette bleiben. Unsere Empfehlung an die Europäische Kommission und die Bundesregierung ist eine gemeinsame Zusammenarbeit mit den Marktteilnehmern und den übrigen Stakeholdern, um eine optimale und zeitnahe Umsetzung erreichen zu können. Wir werden bei FONAP im Rahmen unserer Möglichkeiten daran mitwirken.“

Für nachhaltige Lösungen voneinander lernen

Dem potenziellen Risiko, dass Kleinerzeugende aus EU-Lieferketten ausgeschlossen werden, begegnet die EUDR in Artikel 30 durch partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Drittländern. Ein solches Vorgehen ist in der EU-Gesetzgebung bislang einzigartig und für Deutschland ein essenzielles Element der Verordnung, betonte Dr. Thomas Baldauf aus dem BMEL und stellte Unterstützungsangebote zur Vorbereitung auf die Anwendung der EUDR vor.

Dass die Gefahr des Ausschlusses von Kleinerzeugenden zu bewältigen ist, zeigen zudem Lösungsansätze aus Indonesien und Côte d’Ivoire.

In Indonesien laufen Arbeiten an einem nationalen Rückverfolgbarkeitssystem, berichteten Dr. Prayudi Syamsuri, Direktor für Processing and Marketing of Estate Crops Products, und Dr. Normansyah Syahruddin, stellvertretender Direktor für Estate Crops Market Development im indonesischen Agrarministerium. Auch das nationale Zertifizierungssystem Indonesian Palm Oil Standard (ISPO) soll für mehr Nachhaltigkeit im Anbau von Ölpalmen sorgen. Besonders Kleinbäuerinnen und -bauern würden Unterstützung benötigen.

Bakary Traoré, Geschäftsführer von IDEF – Initiatives for Community Development and Forest Conservation, erläuterte die Herausforderungen, die in der Côte d‘Ivoire zu bewältigen sind, um wirksame Lösungen zur Vermeidung der Entwaldung zu finden. Die Kakaobäuerinnen und -bauern müssen unterstützt und begleitet werden, um die Produktion in den bestehenden Plantagen aufrechtzuerhalten, insbesondere um zu verhindern, dass sie auf andere Produkte ausweichen, die nicht für den europäischen Markt hergestellt werden. In diesem Zusammenhang ist das Funktionieren des nationalen Rückverfolgbarkeitssystems, das derzeit entwickelt und pilotiert wird, von großer Bedeutung. Hier seien noch viele Frage offen, so Traoré.

Aldo Cristiano, Vorsitzender der Fachsparte Schokolade im Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V., wies ergänzend darauf hin, dass die vollständige flächendeckende Rückverfolgbarkeit die Basis für die Beendigung der Entwaldung darstellt.

Die Bedeutung von Vernetzung

In ihrem Schlusswort betonte Lisa Kirfel-Rühle, stellvertretende Referatsleiterin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die Bedeutung der gemeinsamen Anstrengungen, um den Waldschutz und die Nachhaltigkeit in den Lieferketten zu fördern.

Das BMZ bietet Kleinbäuerinnen, Kleinbauern und Firmen vielfältige Unterstützungsangebote an. Dazu gehören zwei groß angelegte Entwicklungsprogramme, um den Marktzugang kleinbäuerlicher Betriebe auf den EU-Markt weiterhin sicherzustellen. Unternehmen können unter anderem Beratungsservices des Help Desk der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung in Anspruch nehmen.

Die Diskussionen und Erkenntnisse, die während der Veranstaltung gewonnen wurden, werden dazu beitragen, die Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung voranzutreiben und die möglichen negativen Auswirkungen auf kleinbäuerliche Betriebe zu minimieren. Sie werden auch einen Beitrag dazu leisten, positive Effekte zu verstärken, zum Beispiel mehr Transparenz in der Lieferkette für alle Marktteilnehmer.

Titelbild: © Köhring PR Fotografie